• 27.07.1971

    16.2 I 9

    Fahrung in Strecken
    mit Einschienenhängebahnen

    A 2.12


    An die Bergämter des Landes NW


    Betr.: Fahrung in Strecken mit Einschienenhängebahnen § 283 Abs. 1 und § 285 Abs. 5 BVOSt


    Die zahlreichen Unfälle in Strecken mit Einschienenhängebahnen beweisen, daß der Aufenthalt in
    derartigen Strecken während des Betriebes der Einschienenhängebahn mit besonderen Gefahren
    verbunden ist. Diese lassen sich etwa wie folgt umschreiben:

    1. Erfaßtwerden von einem seines abrollenden Zug oder Zugteil (infolge Seilrisses oder
      Lösens einer Kupplung) oder Getroffenwerden von Material, das sich u. U. bei plötzlicher
      Geschwindigkeitsverringerung löst oder aus den Behältern herausgeschleudert wird,
      wobei zu beachten ist, daß ein selbsttätiges Abrollen bereits bei einem Einfallen von
      1 :100 (0,649 gon) möglich ist.

    2. Getroffenwerden von einem bei einem Seilriß sich wie bei einem Peitschenschlag
      verhaltenden Seilende, das u. U. auch beim Weiterlaufen des Haspels oder in geneigten
      Strecken infolge des Seilgewichtes bzw. der Anhängelast schnell durch die Strecke
      gezogen wird, unvoraussehbare Schlingen bildet und unkontrolliert herumschlägt.

    3. Erfaßtwerden durch einen während des Treibens pendelnden Tragbehälter oder eine
      pendelnde Last.

    Diese Gefahren sind vor allen Dingen dann gegeben, wenn kein von dem Fördertrum der
    Einschienenhängebahn getrennter Fahrweg vorhanden ist.

    Bei der betriebsplanmäßigen Zulassung von Streckenauffahrungen, insbesondere von
    Abbaustrecken, bitte ich daher künftig darauf zu achten, daß in dem Betriebsplan angegeben
    wird, in welcher Weise der geplante Streckenquerschnitt nicht nur während der Auffahrung
    sondern auch während des späteren Abbaues ausgenutzt werden soll. Hierbei ist nachzuweisen,
    daß ein ordnungsmäßiger Fahrweg, unabhängig von Stetigförderer, Einschienenhängebahn
    oder Flurförderbahn oder sonstigen Pendelförderern, vorhanden ist. Der Streckenquerschnitt
    ist entsprechend groß zu wählen, so daß ggf. Fahrweg, Stetigförderer, Einschienenhängebahn-
    Trum und u. U. Trum für die Lutte der Sonderbewetterung, Rohrleitung usw. nebeneinander
    Platz haben. Eine vorhersehbare Querschnittsverringerung durch Gebirgsdruckeinwirkungen
    muß vorsorglich mit berücksichtigt werden.

    Fahrwege in Strecken mit Einschienenhängebahnen dürfen nach den Bestimmungen des
    § 285 Abs.5 und § 240 Abs.3 in Verbindung mit §256 Abs.8 BVOSt vom 20.2.1970 nur
    befahren werden, wenn die Förderung ruht. Ich halte die Bewilligung einer Ausnahme von
    diesen Geboten durch das Bergamt nur dann für vertretbar, wenn ein vom Fördertrum der
    Einschienenhängebahn zuverlässig getrennter Fahrweg vorhanden ist. Eine ausreichende
    zuverlässige Trennung zwischen,Fördertrum der Einschienenhängebahn und Fahrweg liegt
    m. E. dann vor, wenn die nachstehend unter a, b oder c aufgeführten Voraussetzungen erfüllt
    sind:

    1. Der Fahrweg ist vom Fördertrum der EH-Bahn durch einen Stetigförderer getrennt:

      1. Der Stetigförderer ist so verlegt, daß die Fahrenden nicht unbewußt aus dem Fahrweg
          in das EH-Bahn-Trum gelangen können.

      2. Der Stetigförderer ist in Abständen von höchstens 3 m mit Seilen oder Ketten aufgehängt
          oder es sind andere gleichwertige Einrichtungen vorhanden, die verhindern, daß bei
          einem Riß des Zugseiles ein Seilende bis in den Fahrweg hinüberschlagen kann.

      3. Das EH-Bahn-Trum ist so breit, daß die Lasten trotz Pendelns weder am Ausbau noch
          an der Aufhängung des Stetigförderers anfassen können, oder die Lasten hängen in Höhe
          der Konstruktion des Stetigförderers, so daß sie bei einer Pendelbewegung während des
          Treibens von dieser abgewiesen werden.
    2. Der Fahrweg ist vom EH-Bahn-Trum durch eine Stempelreihe getrennt:

      1. In der Stempelreihe zwischen Fahrweg und EH-Bahn-Trum darf der Stempelabstand
          1 m nicht überschreiten, es sei denn, die Stempel sind durch Seile, Ketten oder Leitplanken
          derartig verbunden, daß die Fahrenden nicht unbewußt in das Fördertrum gelangen können.

      2. Der Abstand der Stempel innerhalb der trennenden Stempelreihe darf bei Verbindung
          der Stempel durch Seile, Ketten oder Leitplanken 2 m nicht übersteigen, damit bei einem
          Riß des Zugseiles ein Seilende nicht in den dem EH-Bahn-Trum unmittelbar benachbarten
          Fahrweg hinüberschlagen kann. Der Abstand darf bis zu 3 m betragen, wenn die Stempel-
          reihe vom Zugseil mindestens 1 m entfernt ist.

      3. Das EH-Bahn-Trum muß so breit sein, daß die Lasten trotz einer Pendelbewegung
          während des Treibens nicht an die Streckenstempel schlagen können, oder die
          Trennstempel-Reihe muß durch Leitplanken miteinander verbunden sein, die in der
          Lage sind, die Lasten bei einer Pendelbewegung abzuweisen. Hierbei müssen die
          Mittelstempel gegen eine Stoßbeanspruchung vom EH-Bahn-Trum her durch Bolzen,
          durch Einbühnen oder durch gleichwertige Maßnahmen gesichert sein.
    3. Der Fahrweg ist gegen das EH-Bahn-Trum durch eine Trennreihe, gebildet aus
      aufgehängten Ketten, Schienen oder Gleichwertigem gesichert:

      1. In der Trenn-Reihe zwischen Fahrweg und EH-Bahn-Trum darf der Abstand der
          aufgehängten Teile 1 m nicht überschreiten, es sei denn, diese Teile sind durch Seile,
          Ketten oder gleichwertige Hilfsmittel derartig verbunden, daß die Fahrenden nicht
          unbewußt in das Fördertrum gelangen können.

      2. Der Abstand zwischen den herabhängenden Teilen innerhalb der Trenn-Reihe darf
          2 m nicht übersteigen, damit bei einem Seilriß ein Seilende nicht in den dem
          EH-Bahn-Trum unmittelbar benachbarten Fahrweg hinüberschlagen kann. Der
          Abstand darf bis zu 3 m betragen, wenn die Trenn-Reihe vom Zugseil mindestens
          1 m entfernt ist.

      3. Das EH-Bahn-Trum muß so breit sein, daß die Lasten bei einer Pendelbewegung
          während des Treibens nicht an die Trenn-Reihe schlagen können.

    Wenn der Fahrweg vom EH-Bahn-Trum nicht zuverlässig getrennt ist, kann das Fahren in
    einem Fahrweg unmittelbar neben dem Fördertrum der EH-Bahn, während diese in Betrieb ist,
    nicht verantwortet werden, da die einleitend aufgeführten Gefahren nicht ausreichend
    abgewehrt erscheinen. Lediglich an den Be- und Entladestellen und anderen Umschlagstellen,
    an denen betriebsbedingt eine der vorstehend beschriebenen Trennungsarten nicht durchgeführt
    werden kann, ist eine auf diesen Bereich beschränkte Ausnahme von § 285 Abs. 5 a. a. O.
    vertretbar, wenn der Haspelführer oder der Anschläger diesen Bereich überblicken und den
    ordnungsmäßigen Verlauf des Treibens an diesen Stellen beobachten kann. Vorauszusetzen ist
    hierbei eine den Richtlinien für die Errichtung von EH-Bahnen entsprechende Anlage mit einer
    ein gefährliches Schlagen des Seiles verhindernden Seilzwangsführung sowie einer zusätzlichen
    optischen Warneinrichtung an den Spitzen des Zuges, wenn die akustische nicht ausreicht.

    In den Fällen, in denen z. Z. der Querschnitt eines vorhandenen Grubenbaues nicht ausreicht,
    um einen getrennten Fahrweg einzurichten oder in denen ein vorhandener Fahrweg infolge
    Gebirgsdruckeinwirkungen auch durch Gegenmaßnahmen nicht aufrecht zu erhalten ist, kann
    das Bergamt von der Ausnahmemöglichkeit des § 283 Abs. 1 a. a. O. Gebrauch machen.
    Hierbei muß selbstverständlich vorausgesetzt werden, daß während der Fahrung die Förderung
    ruht und umgekehrt. Ich halte folgende Ersatzmaßnahmen in diesem Falle für erforderlich:

    1. Leuchtfelder oder Schilder mit dem Verbot gleichzeitiger Förderung und Fahrung an
      sämtlichen Zugängen der Strecken (auch an den seitlichen) entsprechend § 239 a.a.O.
      (siehe DIN 23331, Schild 18),
    2. Leuchtfelder oder Schilder mit der Anweisung, sich vor Betreten und nach Verlassen
      der EH-Bahn beim Haspelführer zu melden,
    3. Sprechverbindung mit dem Haspelführer von sämtlichen Zugangsstellen,
    4. Einrichtungen zum Signalgeben zum Haspelführer oder zum Stillsetzen des Haspels in
      der Strecke in Abständen von höchstens 30 m.

    Die Erfahrung hat gezeigt, daß in längeren Strecken und in Strecken mit größeren Höhen-
    unterschieden die Fahrenden dazu neigen, eine vorhandene Einschienenhängebahn zur Personen-
    beförderung zu benutzen, insbesondere dann, wenn bei ihrem Eintreffen an einem Ende der
    Einschienenhängebahn der Zug gerade abfahrbereit ist. Aus Gründen der Fahrungserleichterung
    und um die auftretenden Gefahren beim unerlaubten Mitfahren mit nur dem Materialtransport
    dienenden Einschienenhängebahnen zu verringern, halte ich es für zweckmäßig, wenn die
    Einschienenhängebahnen zur Personenbeförderung eingerichtet werden. Hierfür sind im
    wesentlichen lediglich zusätzliche Sitz-, Signal- und Bremsmöglichkeiten für die mit dem Zug
    beförderten Personen zu schaffen sowie die Einschienenhängebahneinrichtungen und insbesondere
    das Seil eingehender zu überwachen. Das Landesoberbergamt NW wird die Mindestanforderungen
    zusammenstellen, die zusätzlich zu den Richtlinien für die Errichtung von Einschienenhängebahnen
    mit maschinellem Antrieb bei einer Personenbeförderung befolgt werden müssen und die Unterlagen
    angeben, die einem Antrag auf die erforderliche Ausnahmebewilligung von § 288 Abs. 1 a.a.O. für
    die Personenbeförderung beizufügen sind. Eine Vereinfachung und Vereinheitlichung des
    Bewilligungsverfahrens wird hierbei angestrebt. Um Irrtümern vorzubeugen, muß darauf hingewiesen
    werden, daß die Möglichkeit der Personenbeförderung mit der Einschienenhängebahn nicht einen
    zuverlässig getrennten Fahrweg überflüssig macht. Da ein Treiben und der Aufenthalt des Zuges
    an der Be- oder Entladestelle stets eine längere Zeit in Anspruch nimmt, werden Personen, die
    die Strecke mit derbetreffenden Einschienenhängebahn benutzen müssen, um an ihre Arbeitsstelle
    zu gelangen oder einen Auftrag zu erfüllen, nicht immer warten, bis der Einschienenhängebahnzug
    bei ihnen angelangt ist, insbesondere dann nicht, wenn er kurz vor ihrer Ankunft gerade zur anderen
    Endstation in Bewegung gesetzt worden war.

    Ähnlichen Gefahren wie die in einer Strecke während eines Treibens der Einschienenhängebahn
    Fahrenden sind die in der Strecke insbesondere die in dem Einschienenhängebahntrum Arbeitenden
    ausgesetzt. Arbeiten, vor allem Reparaturarbeiten, die ortsgebunden sind, werden sich während
    des Betriebes einer Einschienenhängebahn nicht immer ausschließen lassen. Die Arbeitsstellen
    müssen daher ausreichend gesichert werden, so daß keine Gefahr durch seillos abrollende Züge
    oder Zugteile entstehen kann und die Seilschlaggefahr ausgeschaltet ist. Hierfür ist m. E. das
    Einhalten folgender Voraussetzungen erforderlich:

    1. Bremskatzen am jeweils unteren Ende des EH-Bahn-Zuges - im Einfallen der Strecke
      gesehen - bei wechselndem Einfallen also an beiden Enden,
    2. wirksame Sperren oberhalb der Arbeitsstelle - im Einfallen der Strecke gesehen -,
    3. Signalmöglichkeit von der Arbeitsstelle zum Haspel,
    4. Zwangsführung des Seiles in Abständen von höchstens 30 m,
    5. zusätzliche optische Warneinrichtung an der Spitze des EH-Bahn-Zuges, wenn die
      akustische nicht ausreicht,
    6. Einrichten von Haltepunkten beiderseits der Arbeitsstelle, bei Vorhandensein einer
      Sperre entsprechend vor dieser.

    Diese Voraussetzungen für Arbeiten in Strecken sind in den von den Zechenverwaltungen
    aufzustellenden Arbeitsablaufplänen zu berücksichtigen, soweit sie nicht betriebsplanmäßig
    festgelegt werden.

    Ich bitte, die aufgeführten Gesichtspunkte bei den Betriebsplanzulassungen für Strecken-
    auffahrungen und bei Ausnahmebewilligungen von den Bestimmungen des § 283 Abs. 1
    sowie des § 285 Abs. 5 und § 240 Abs. 3 in Verbindung mit § 256 Abs. 8 a. a. O. zu beachten.

    Dortmund, den 27.Juli 1971

    Landesoberbergamt NW
    In Vertretung:

    P i l g r i m