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    18.12.1989

    12.63.3-8-26

    Fluchtweg-Richtlinien

    A 2.4

    (A2.15)


    An die Bergämter des Landes Nordrhein-Westfalen

    Betr.: Richtlinien für die Ermittlung zulässiger Fluchtweglängen im Steinkohlenbergbau unter Tage (Fluchtweg-Richtlinien)*)


    Die Neufassung der "Richtlinien des Landesoberbergamts Nordrhein-Westfalen für die Ermittlung zulässiger Fluchtweglängen im Steinkohlenbergbau unter Tage" wird nachstehend bekanntgemacht.

    In den Richtlinien sind Beurteilungsgrundsätze und Bewertungsmaßstäbe für die Flucht der Beschäftigten unter Verwendung von Selbstrettern zusammengestellt, die bei der Prüfung von Betriebsplänen, insbesondere von grubensicherheitlichen Rahmenbetriebsplänen, Berücksichtigung finden sollen. Die Fluchtweg-Richtlinien ergänzen und erläutern insoweit auch die Bestimmungen der §§ 32, 35, 118, 128, 136, 137, 147, 282, 283 und 284 der Bergverordnung für die Steinkohlebergwerke (BVOSt) vom 20. Februar 1970 in der Fassung vom 19. Dezember 1986.

    Ich bitte, diese Richtlinien bei der Durchführung Ihrer Aufgaben nach den Vorschriften des Bundesberggesetzes und der BVOSt zu beachten. Abweichungen können ohne Zustimmung des Landesoberbergamts nur zugelassen werden, wenn sie geringfügig sind und das Schutzziel auf andere Weise gleichwertig erreicht wird; weitergehende Anforderungen sind zu stellen, wenn dies aus Grubensicherheitslichen Gründen erforderlich ist.

    Zugelassene Betriebspläne auf der Grundlage der bisherigen Fluchtweg-Richtlinien gelten weiter; bei wesentlichen Abweichungen, insbesondere von Abschnitt 4 der neuen Richtlinien, ist auf eine Umsetzung der neuen Regelungen hinzuwirken. Darüber hinaus ist der derzeitige Zuschnitt der Bergwerke auf der Grundlage der neuen Richtlinien zu bewerten. Über das Ergebnis ist dem Landesoberbergamt zu berichten.

    Die Rundverfügungen vom 15.10.1980 und 3.9.1982-12.63.3-2-38- mit der bisherigen Fassung der Fluchtweg-Richtlinien sowie die Rundverfügung vom 11. 1. 1982-12.63.2-2-38-
    "Flucht- und Rettungspläne für lange sonderbewetterte Grubenbaue" (letztere nicht im Sammelblatt veröffentlicht) werden aufgehoben.

    Im übrigen werden noch folgende Hinweise gegeben:

    1. Selbstretter

    Die in den Fluchtweg-Richtlinien getroffenen Regelungen setzen eine geordnete Selbstretterwirtschaft voraus, die in Plänen festgelegt ist, denen das Landesoberbergamt zugestimmt hat (z. Zt. Filterselbstretter-Plan, St, gemäß Rundverfügung vom 3. 8. 1989 -12.63.1-9-1-, SBI. A 4.6; Sauerstoffselbstretter-Plan, St, gemäß Rundverfügung vom 21.1.1983-12.63.3-6-2-, SEI. A 4.6).

    2. Fluchtwege, Flucht in Bohrlöchern

    Bei der Prüfung der Qualität von Fluchtwegen muß berücksichtigt werden, daß die Grubenwehr gegebenenfalls mit angelegten Isoliergeräten eingesetzt werden muß. Auch ist darauf zu achten, daß nach Abschnitt 3.9 der Richtlinien für Bohrlöcher, die für Fluchtzwecke in Betracht kommen, Ausnahmen von § 128 Abs. 1 Satz 1 und § 282 Abs. 1 Satz 1 BVOSt nicht bewilligt werden dürfen.

    3. Fluchtwegbefahrungen

    Zu Abschnitt 3.16 der Richtlinien sind, wenn nicht besondere Umstände zusätzliche Befahrungen erfordern, eine Befahrung bei Anlaufen von Betrieben sowie weitere Befahrungen, deren zeitliche Abstände ein Jahr nicht überschreiten dürfen, zu fordern.

    4. Einziehwetterwege

    Der Verlegung des ersten Fluchtansatzpunktes bis 200 m an den Betrieb heran nach Abschnitt 4.1 Abs. 2 der Richtlinien ist für neue Feldesteile oder Sohlen nur dann zuzustimmen,
    wenn ein Rahmenbetriebsplan über den Betriebszuschnitt vor der Zulassung dem Landesoberbergamt vorgelegt worden ist.

    Für die Beurteilung von Fluchtmöglichkeiten hat die Qualität des untertägigen Brand- und Explosionsschutzes wesentliche Bedeutung. Die im Abschnitt 4.2 der Richtlinien enthaltene Bewertung der explosions- und brandtechnischen Voraussetzungen in den frischwetterseitigen Einziehwegen vor dem ersten Fluchtansatzpunkt entspricht dem derzeitigen Erfahrungsstand. Für die Planung neuer Feldesteile oder Sohlen sollte weitgehend von der Möglichkeit zusätzlicher Wettereinspeisungen nach Abschnitt 4.3 der Richtlinien Gebrauch gemacht werden, um Voraussetzungen für kürzere Fluchtzeiten zu schaffen und um von möglichen Änderungen der Bewertung der Brand- und Explosionsgefahr unabhängig zu sein.

    5. Gefahren durch Grubengas

    Die Gesichtspunkte der Abschnitte 4.2.1.1 und 4.2.1.2 der Richtlinien sind auch bei Entscheidungen über Ausnahmen von § 147 Abs. 1 BVOSt für die Betriebe, die einziehseitig
    von Wetterabteilungen liegen, zu berücksichtigen.

    6. Sonderbewetterte Grubenbaue, Vortriebe und Raubbetriebe

    Die für die Festlegung des erweiterten Gefahrenbereichs und der Zeitdauer nach Anlage 2 zu Abschnitt 4.2.1.2 der Richtlinien erforderliche Fachkunde dürfte in der Regel nur beim
    Wetteringenieur gegeben sein. Erforderlichenfalls ist die Prüfstelle für Grubenbewetterung hinzuzuziehen. In Zweifelsfällen umfaßt der erweiterte Gefahrenbereich auch alle dem
    sonderbewetterten Grubenbau wettertechnisch nachgeschalteten Grubenbaue.

    7. Durchgehend bewetterte Grubenbaue

    Bei der Beurteilung der Frage, ob mit einer Zunahme des CH4-Gehalts der Wetter um mehr als 0,3 % in durchgehend bewetterten Grubenbauen mit Abbaueinwirkungen nach
    Abschnitt 4.2.1.3 der Richtlinien nicht zu rechnen ist, sowie bei der Beurteilung der stabilen Bewetterung und bei der Festlegung der wettertechnischen Überwachungsmaßnahmen in diesem Zusammenhang ist die Prüfstelle für Grubenbewetterung hinzuzuziehen.

    8. Bordfeste Feuerlöscheinrichtungen

    Als selbsttätige Löscheinrichtungen mit hoher Ausstoßrate nach Abschnitt 4.2.2.2.1 der Richtlinien gelten selbsttätig auslösende Pulverlöschanlagen nach Maßgabe der
    Rundverfügung vom 26. 2. 1987- 18.43.3-9-26-(nicht im Sammelblatt veröffentlicht). Soweit die Umrüstung noch nicht abgeschlossen ist, wird es als notwendig angesehen,
    unverzüglich den Einbau dieser Löscheinrichtung vornehmen zu lassen.

    9. Gurtförderanlagen

    Wenn Gurtförderer nach Abschnitt 4.2.2.2.1 der Richtlinien nicht als Brandlast berücksichtigt zu werden brauchen, ist besonders eingehend auf die Einhaltung der Mindestprofilfreiheit zu achten. Für die Errichtung von Gurtförderanlagen sind ausreichend bemessene zusätzliche Profilfreiheiten zu fordern, wenn erfahrungsgemäß auf andere
    Weise die Mindestprofilfreiheit nicht ständig sichergestellt werden kann. Intensive bergamtliche Kontrollen sind durchzuführen, um den ordnungsgemäßen Zustand zur Verhütung von Grubenbränden in Gurtförderstrecken zu gewährleisten; dabei ist besondere Aufmerksamkeit den Gegebenheiten an Übergaben, Antriebs- und Umkehrstationen, Einbauten und möglichen Engstellen sowie Sohlenunebenheiten und der dem Fahrweg abgewandten Seite der Gurtförderer zuzuwenden. Diese Belange besitzen gerade auch im Hinblick auf die notwendige leichte Zugänglichkeit für Wartungs und Reinigungsarbeiten besondere Bedeutung.

    Soweit noch Restbestände an Fördergurten mit Stahlseileinlagen in der Deckplattenqualität "K" (K-Fördergurte nach DIN 22102) weiterbetrieben werden, ist abwetterseitig eine Verringerung der Fluchtgeschwindigkeit um 30 % (vgl. Abschnitt 5.2.6 der Richtlinien) vorzunehmen. Eine Kombination von Holzausbau und K-Fördergurten ist nach vorliegenden Angaben nicht mehr vorhanden und wurde insofern nicht berücksichtigt.

    10. Sauerstoffselbstretter

    Sollen Sauerstoffselbstretter verwendet werden (vgl. Abschnitte 5.1 und 5.3 der Richtlinien), so sind derartige Betriebspläne mit Angaben über Einsatzbedingungen und Fluchtgeschwindigkeiten sowie mit den vom Bergamt vorgesehenen Nebenbestimmungen vor der Zulassung dem Landesoberbergamt vorzulegen. Sofern Sauerstoffselbstretter an die Stelle von Filterselbstrettern treten sollen, ist eine Ausnahme von § 32 BVOSt erforderlich.

    11. Richtgeschwindigkeit

    Für die Durchführung von Einzelmessungen der Fluchtgeschwindigkeiten nach den Abschnitten 5.2.2, 5.2.3, 5.2.4 und 5.3.2 der Richtlinien ist sicherzustellen, daß die Messungen in Abstimmung mit der Hauptstelle für das Grubenrettungswesen erfolgen. Über Fluchtgeschwindigkeiten, die durch Einzelmessungen ermittelt worden sind, bitte ich dem Landesoberbergamt jeweils zu berichten.

    12. Überschreiten der Fluchtzeit

    Kommt es in einem betrachteten Fluchtfall zu einer Überschreitung der jeweils zulässigen Fluchtzeit, so ist davon auszugehen, daß eine gesicherte Flucht der Betroffenen nicht
    gewährleistet ist. Fluchtund Rettungskammern werden in diesen Fällen grundsätzlich nicht als geeignete Ersatzmaßnahme angesehen. Abhilfe kann z.B. durch Änderung des Zuschnitts, der ausgasungstechnischen Voraussetzungen, der Brandbelastungen oder des Klimas möglich sein. In besonders gelagerten Fällen, die in bereits vorhandenen Grubengebäuden auftreten können, ist der Betriebsplan vor seiner Zulassung dem Landesoberbergamt vorzulegen.

    13. Brenn- und Schweißarbeiten

    Sofern einziehseitig von Fluchtansatzpunkten Arbeiten mit offenem Feuer durchgeführt werden sollen, ist bei den Entscheidungen über die beantragten Ausnahmen von den
    Bestimmungen der BVOSt ein strenger Maßstab anzulegen; ggf. dürfen sich Personen abwetterseitig der Brenn- oder Schweißstelle nicht aufhalten.

    14. Gleislosfahrzeuge

    Dieselbetriebene gummibereifte Gleislosfahrzeuge konnten trotz ihrer derzeitigen geringen Verbreitung im hiesigen Steinkohlenbergbau als Brandlast nicht ausgenommen werden mit der Folge, daß bei ihrem Betrieb mit hohen Brandlasten ggf. auch in Wettereinziehwegen zu rechnen ist. Ob und unter welchen Bedingungen diese Fahrzeuge nicht als Brandlast
    angenommen zu werden brauchen, bedarf weiterer Prüfungen und Erfahrungen. Für sonderbewetterte Grubenbaue, deren Auffahrungslänge bei Einsatz dieselbetriebener
    gummibereifter Gleislosfahrzeuge 300 m überschreitet, ist die Vorlage besonderer Flucht- und Rettungspläne in Form von Sonderbetriebsplänen zusammen mit einer Stellungnahme der Hauptstelle für das Grubenrettungswesen zu verlangen. Die dabei zu fordernden Fluchtkammern gelten nicht als zusätzliche Maßnahme nach Abschnitt 3.14 der Richtlinien. Betriebspläne, die den Einsatz dieselbetriebener gummibereifter Gleislosfahrzeuge in diesen Grubenbauen oder in Einziehwetterwegen vor dem ersten Fluchtansatzpunkt - auch im durchgehenden Wetterstrom - zum Gegenstand haben, sind vor der Zulassung zusammen mit den vorgesehenen Nebenbestimmungen dem Landesoberbergamt vorzulegen.

    15. Sonderbewetterte Grubenbaue großer Länge

    Für sonderbewetterte Grubenbaue ohne Gleislostechnik, deren Auffahrungslänge 3000 m überschreitet, ist die Vorlage besonderer Flucht- und Rettungspläne in Form von Sonderbetriebsplänen zusammen mit einer Stellungnahme der Hauptstelle für das Grubenrettungswesen zu verlangen; auch diese Betriebspläne sind vor ihrer Zulassung zusammen mit den vorgesehenen Nebenbestimmungen dem Landesoberbergamt vorzulegen.

    16. Warnung der Belegschaft

    Im Zusammenhang mit Flucht- und Rettungsfragen ist die Verfügbarkeit und Qualität der Einrichtungen zur Warnung der Belegschaft von besonderem Belang (s. hierzu auch
    Anlage 3, letzter Absatz, sowie Abschnitt 3.12 der Richtlinien). Auf die Rundverfügung vom 12.1.1982-14.8-3-10-(nicht im Sammelblatt veröffentlicht) "Planungshinweise zur Warnung der Belegschaft und zur sicheren Nachrichtenübermittlung, der elektrischen Energieversorgung sowie der Meßwertübertragung in Notsituationen unter Tage" wird verwiesen.

    Dortmund, den 18.12.1989

     

    Landesoberbergamt NW

    S c h e l t e r

     

    *) Diese Richtlinien sind auch in Heftform unter der Verlagsnummer 272 bei der Verlag Glückauf GmbH, Postfach 103945, 4300 Essen 1, Tel. 0201/1059534 erhältlich.