• Grundsätze zu Gegenstand und zur Reichweite der Aufsicht über Markscheider und
    die Ausführung markscheiderischer Arbeiten nach § 69 Abs. 3 BBergG
    (Stand: 27.03.2013)

     

    1. Sachverhalt

    Vor dem Hintergrund verschiedener zivilgerichtlicher Auseinandersetzungen zwischen
    Bergbaugeschädigten und einem Bergbauunternehmen in Nordrhein-Westfalen werden
    von der Geschädigtenseite angebliche Missstände bei der Führung des Grubenbildes
    beklagt. Angeblich objektiv vorhandene und eindeutige Erdspalten sowie Geländeabrisse
    seien entgegen den gesetzlichen Bestimmungen von den Risswerk führenden Markscheidern
    nicht in den Tageriss eingetragen worden. Mehrfach wurden die nordrhein-westfälischen
    Bergbehörden aufgefordert, gegen den Risswerk führenden Markscheider eine Anordnung
    zur Nachtragung des Tagerisses zu erlassen und ein Ordnungswidrigkeitsverfahren gemäß
    § 145 BBergG einzuleiten.

    Unabhängig von dem Anlass gebenden Einzelsachverhalt sind damit folgende Fragen
    zu klären:

    1.1 Welche Aufsichtsbefugnisse hat die zuständige Bergbehörde?

    1.2 Ist die zuständige Bergbehörde befugt, dem Risswerk führenden Markscheider oder
         dem Unternehmer unmittelbar eine Weisung zur Eintragung konkreter Angaben im
         Grubenbild zu erteilen?

    2. Rechtsgrundlagen

    Nach § 69 Abs. 3 BBergG unterliegen die Markscheider und die Ausführung der mark-
    scheiderischen Arbeiten im Sinne des § 64 Abs. 1 BBergG der Aufsicht der zuständigen
    Behörde. Das Gesetz unterscheidet damit eine personenbezogene Aufsicht über die
    Markscheider und eine aufgabenbezogene Aufsicht über markscheiderische Arbeiten.

    2.1 Aufsicht über Markscheider

    Die personenbezogene Aufsicht über die Markscheider bezieht sich auf die gesetzlichen
    Anforderungen, denen der Markscheider aufgrund seiner Anerkennung entsprechen muss.
    Maßstab sind hierfür in erster Linie die Ländermarkscheidergesetze (§ 64 Abs. 3 BBergG).
    Historischer Kontext hier ist § 34 Abs. 5 GewO in der bis zum Inkrafttreten des Bundes-
    berggesetzes geltenden Fassung (§ 174 Abs. 1 Nr. 2 BBergG) der eine gewerberechtliche
    Aufsicht über die Markscheider vorsah. Die Aufsicht über die Markscheider nach
    § 69 Abs. 3 BBergG ersetzte die gewerberechtliche Aufsicht und erstreckte die berg-
    behördliche Aufsicht gleichzeitig auf alle Markscheider, also auch auf die im Betrieb
    angestellten Personen.1) Die personenbezogene Aufsicht über die Markscheider beinhaltet
    im Wesentlichen die Fachkunde, die persönliche Zuverlässigkeit die körperliche Geeignetheit
    sowie gegebenenfalls die zur ordnungsgemäßen Berufsausübung erforderliche Büroausstattung
    und Arbeitsmittel im Falle der Freiberuflichkeit. Zur Zuverlässigkeit ist auch die Sicherstellung
    der Unabhängigkeit im Sinne einer Weisungsfreiheit nach § 64 Abs. 2 Satz 1 BBergG zu zählen.
    Diese Vorschrift schützt insbesondere die im Bergbauunternehmen fest angestellten Markscheider,
    aber auch Selbständige oder Mitarbeiter von Ingenieurbüros gegenüber ihren Auftraggebern
    in der Bergbauindustrie vor Weisungen im Rahmen der Anwendung ihrer Fachkunde.2)
    Folglich begründet die gesetzliche Weisungsunabhängigkeit eine Verpflichtung des
    Markscheiders, im Rahmen seines Geschäftskreises nach § 64 Abs. 1 BBergG diese
    Unabhängigkeit zu wahren.

    2.2 Aufsicht über die Ausführung der markscheiderischen Arbeiten im Sinne des
    § 64 Abs. 1 BBergG

    Die aufgabenbezogene Aufsicht der zuständigen Behörde über die markscheiderischen Arbeiten
    nach § 64 Abs. 1 BBergG soll die ordnungsgemäße Risswerksführung sicherstellen. Die
    Risswerksführungspflicht nach § 63 Abs. 1 BBergG gehört dabei zu den Unternehmerpflichten,
    die nicht nach § 62 BBergG auf verantwortliche Personen übertragen werden können.
    Hiervon zu trennen ist die Anfertigung und Nachtragung des Risswerks durch einen anerkannten
    Markscheider. Der Unternehmer erfüllt seine Risswerksführungspflicht deshalb dadurch, dass
    er diese Arbeiten im Rahmen des § 64 Abs. 1 BBergG nur durch anerkannte Markscheider
    durchführen lässt und für eine termingerechte Risswerksführung Sorge trägt. Verstöße gegen
    diese Unternehmerpflicht sind durch § 145 Abs. 1 Nr. 13 BBergG bußgeldbewehrt.

    Die Verantwortung für die inhaltlich ordnungsgemäße Anfertigung des Risswerks trägt der
    Unternehmer hingegen nicht soweit er dadurch gegen die Weisungsfreiheit des Markscheiders
    nach § 64 Abs. 2 BBergG verstoßen würde.3)

    Die Aufsichtsbefugnisse der zuständigen Behörde nach § 69 Abs. 3 BBergG werden
    weiterhin inhaltlich begrenzt auf diejenigen Pflichten, die sich aus § 64 Abs. 1 i.V.m.
    § 63 Abs. 1 bis 3 BBergG, §§ 9 und 10 sowie Anlagen 3 und 4 MarkschBergV ergeben.4)
    Hierbei spielt es keine Rolle, ob diese Arbeiten durch Markscheider oder im Einzelfall
    anerkannte andere Personen (§ 13 MarkschBergV) ausgeführt werden. Soweit ein Markscheider
    oder eine andere Person im Sinne von § 64 Abs. 1 Satz 2 BBergG weitere Aufgaben im Betrieb
    als Angestellter oder Auftragnehmer erfüllt, z.B. in der Vorbereitung von Betriebsplänen oder
    Erstellung von betrieblichen Unterlagen, greifen die Aufsichtsbefugnisse nach § 69 Abs. 3 BBergG
    nicht.

    Risswerk führende Markscheider oder sonstige anerkannte Personen nach § 13 MarkschBergV
    können im Übrigen neben dem Unternehmer ordnungswidrig nach § 145 Abs. 1 Nr. 13 BBergG
    handeln, da sie zwar keine Verantwortung nach § 58 BBergG tragen, aber im Rahmen des
    § 9 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 OWiG von diesem beauftragt sind, in eigener Verantwortung
    Unternehmeraufgaben (Anfertigung und Nachtragung des Risswerks) wahrzunehmen.5)
    Dem entspricht auch die Formulierung des Tatbestandes in § 145 Abs. 1 Nr. 13 BBergG,
    der die nicht ordnungsgemäße Anfertigung oder Nachtragung des Risswerks enthält, während
    die Unternehmerpflichten in § 63 Abs. 1 BBergG im Passiv formuliert sind ( ..... anfertigen
    und ... nachtragen zu lassen).

    3. Einzelfragen

    3.1 Aufsichtsbefugnisse der zuständigen Behörde

    § 69 Abs. 3 BBergG enthält eine Aufgabenzuweisung, aber keine Befugnisse zur Wahrnehmung
    der Aufsicht. Diese sind vielmehr in §§ 70ff BBergG geregelt. In Bezug auf die Aufsicht über
    Markscheider oder die Ausführung markscheiderischer Arbeiten bestehen danach Auskunfts-
    pflichten gegenüber der zuständigen Aufsichtsbehörde nach § 70 Abs. 1 BBergG und
    Betretungsrechte für Betriebsgrundstücke, Geschäftsräume und Einrichtungen der Auskunfts-
    pflichtigen nach § 70 Abs. 2 BBergG. Auskunftspflichtige sind neben dem Unternehmer auch
    risswerksführende Markscheider oder sonstige anerkannte Personen nach § 13 MarkschBergV,
    worauf § 70 Abs. 1 BBergG ausdrücklich verweist.6) Aufsichts-und Betretungsrechte setzen
    dabei voraus, dass diese Befugnisse zur Wahrnehmung der Aufsicht erforderlich sind. Dies
    bedeutet, dass sie im Zusammenhang mit konkreten Aufsichtsaufgaben entweder in Hinblick
    auf die persönliche Aufsicht über Markscheider oder die Ausführung markscheiderischer
    Arbeiten stehen müssen.

    Verstöße gegen Auskunftspflichten oder die Zutrittgewährung können als Ordnungswidrigkeit
    nach § 145 Abs. 1 Nrn 14 und 15 BBergG geahndet werden. Adressat kann neben dem
    Unternehmer auch ein Markscheider oder eine anerkannte Person nach § 13 MarkschBergV
    sein, da § 70 Abs. 1 auch diesen Personenkreis verpflichtet.

    Eine Untersagung der Beschäftigung eines Markscheiders oder anerkannten Person nach
    § 73 BBergG kommt hingegen auch im Falle einer vorsätzlichen oder grob fahrlässigen
    Pflichtverletzung durch diesen Personenkreis nicht in Betracht, da diese Befugnis ausdrücklich
    nur den Personenkreis nach § 58 Abs. 1 Nr. 2 BBergG benennt.

    Die allgemeine Anordnungsbefugnis nach § 71 Abs. 1 BBergG greift im Grundsatz auch
    im Rahmen der Aufsicht nach § 69 Abs. 3 BBergG.7) Als Generalklausel setzt sie
    tatbestandlich nur voraus, dass entsprechende Maßnahmen zur Durchführung der Vorschriften
    des Bundesberggesetzes oder Bergverordnungen erforderlich sind (zu den Voraussetzungen
    vgl. Pkt. 3.2). Anordnungen werden im Zusammenhang mit der Aufsicht über markscheiderische
    Arbeiten regelmäßig als Beanstandung erfolgen. Eine direkte Korrektur des Risswerks im Wege
    der unmittelbaren Ausführung ohne vorangegangene Anordnung durch die Aufsichtsbehörde
    ist hingegen nicht möglich, da das Risswerk keine amtliche, sondern eine betriebliche Unterlage
    darstellt, die durch den Unternehmer anfertigen und nachtragen zu lassen ist. Mögliche
    Adressaten sind neben dem Unternehmer auch Markscheider oder anerkannte Personen nach
    § 13 MarkschBergV, wobei im Einzelfall zu beachten ist, welche Pflichten der Unternehmer
    und die Risswerk führenden Personen haben.

    Weitere Befugnisse ergeben sich aus den Landesmarkscheidergesetzen. Das Entfallen von
    Anerkennungsvoraussetzungcn (z.B. Zuverlässigkeit) kann hier zu einem Widerruf der
    Anerkennung
    nach § 49 VwVfG führen. Soweit dies das jeweilige Landesrecht vorsieht,
    kommt auch eine Untersagungsverfügung gegenüber einem Markscheider in Betracht.
    Bei anerkannten Personen nach § 13 MarkschBergV enthält § 13 Abs. 3 MarkschBergV
    eine spezielle Widerrufsbefugnis für den Fall, dass markscheiderische Arbeiten wiederholt
    oder gröblich nicht entsprechend der Markscheiderbergverordnung ausgeführt werden.
    Diese Widerrufs-und Untersagungsbefugnisse richten sich ausschließlich an die Markscheider
    und anerkannten Personen.

    3.2 Weisungsbefugnisse zur Eintragung konkreter Angaben im Grubenbild

    Die allgemeine Anordnungsbefugnis nach § 71 Abs. 1 BBergG befugt die zuständige Behörde,
    durch Verwaltungsakt im Einzelfall die erforderlichen Maßnahmen zu treffen, um einen
    rechtmäßigen Vollzug des Bundesberggesetzes und der darauf beruhenden Bergverordnungen
    sicherzustellen. Für die Führung des Risswerks ergeben sich die materiellen Maßstäbe aus
    §§ 63, 64 BBergG und die Markscheider-Bergverordnung, insbesondere §§ 9 und 10
    sowie Anlagen 3 und 4 MarkschBergV. Darüber hinaus verlangt § 2 Abs. 1 Satz 1
    MarkschBergV die Durchführung von markscheiderischen Arbeiten nach den allgemein
    anerkannten Regeln der Markscheide- und Vermessungskunde unter Berücksichtigung der
    örtlichen Gegebenheiten. Nach § 2 Abs. 1 Satz 2 MarkschBergV wird die Einhaltung der
    Regeln vermutet, soweit die Norm DIN 21901 (Ausgabe Februar 1984) beachtet wurde.

    Die Korrektur von Verstößen gegen die dort explizit genannten formellen Anforderungen
    zu Gliederung, Inhalt und Form (Anlage 3 MarkschBergV), sowie Zeitpunkt der
    Nachtragung sowie Einreichung des Risswerks kann insoweit durch Anordnung der
    zuständigen Behörde gegenüber dem Unternehmer als für die Risswerksführung nach
    § 63 Abs. 1 BBergG verantwortlichen Adressaten durchgesetzt werden. Dass die
    Nachtragung des Risswerks selbst im Falle des § 64 Abs. 1 BBergG nur durch einen
    Markscheider oder ggf. durch eine andere Person nach § 13 MarkschBergV erfolgen
    kann, bleibt unberührt. Die Weisungsfreiheit des Markscheiders nach § 64 Abs. 2 Satz 1
    BBergG soll nur Weisungen des Unternehmers gegenüber dem Risswerk führenden
    Markscheider ausschließen. Weisungen der für die Bergaufsicht zuständigen staatlichen
    Behörde zur Sicherstellung einer gesetzeskonformen Risswerksführung greifen dagegen
    in das Verhältnis Unternehmer - Markscheider nicht ein. Damit kann der Unternehmer
    eine gegen ihn gerichtete Anordnung zu Gliederung, Inhalt und Form (Anlage 3
    MarkschBergV) gegenüber dem Risswerk führenden Markscheider im Rahmen seines
    arbeitsrechtlichen oder vertraglichen Verhältnisses erfüllen, indem er diese dem
    Markscheider als verpflichtende Arbeitsgrundlage weiterleitet. Soweit das Risswerk
    durch eine anerkannte Person nach § 13 MarkschBergV geführt wird, besteht
    ohnehin eine volle Weisungsbefugnis des Unternehmers.

    Anordnungen der zuständigen Bergaufsichtsbehörde gegenüber dem Unternehmer
    müssen sich im Rahmen der gerichtlich voll überprüfbaren gesetzlichen Maßstäbe halten.
    Unproblematisch ist dies bei Beanstandungen des Risswerks, die ohne weiteren
    Beurteilungsspielraum auf einer Abweichung zu §§ 9 und 10 sowie Anlagen 3 und 4
    MarkschBergV
    beruhen. Demgegenüber sind Beanstandungen von Verstößen gegen die
    anerkannten Regeln der Markscheide-und Vermessungskunde unter Berücksichtigung der
    örtlichen Gegebenheiten
    nach § 2 Abs. 1 Satz 1 MarkschBergV im Einzelfall zu begründen,
    woraus sich dies ergibt und gegen welche anerkannten Regeln verstoßen wurde. Nachdem
    § 2 Abs. 1 Satz 3 MarkschBergV Abweichungen von technischen Normen oder zusätzliche,
    in Normen nicht geregelte Eintragungen im Risswerk ausdrücklich vorsieht, kann aus
    Bestimmtheitsgründen keine aufsichtliche Anordnung nur darauf gestützt werden, dass
    § 2 Abs. 1 Satz 1 MarkschBergV i.V.m. der DIN 21901 (Ausgabe Februar 1984)
    verletzt wurde. Keine ausreichende Grundlage zur Bestimmung der anerkannten Regeln
    der Markscheide- und Vermessungskunde sind weiterhin die nur in einzelnen Bundesländern
    herausgegebenen Rundschreiben oder Richtlinien an Markscheider, da sie keinen abstrakt-
    generellen Charakter im Sinne einer Verwaltungsvorschrift nach § 143 BBergG haben.

    Tatsächliche Feststellungen des Markscheiders, insbesondere Messungen, können Gegenstand
    einer Anordnung nach § 71 Abs. 1 BBergG sein. Dies setzt voraus, dass für die Aufsicht
    führende Behörde die zu korrigierende Tatsache bewiesen ist. Schlichte Zweifel an der
    Richtigkeit tatsächlicher Eintragungen sind hingegen nicht ausreichend, um eine Anordnung
    gegenüber dem Unternehmer oder der Risswerk führenden Person zu rechtfertigen. Vielmehr
    müssen diese abweichenden Tatsachen selbst nach den anerkannten Regeln der Markscheide-
    und Vermessungskunde dargelegt werden.

    Anordnungen nach § 71 Abs. 1 BBergG unmittelbar gegenüber dem Risswerk führenden
    Markscheider ohne eine vorangegangene oder gleichzeitige Anordnung gegenüber dem
    Unternehmer sind ausgeschlossen, da die ordnungsgemäße Anfertigung und Nachtragung
    des Risswerks eine Unternehmerpflicht darstellt und insoweit keine Rechtsbeziehung
    zwischen der zuständigen Behörde und dem Markscheider besteht. Unberührt bleiben
    Maßnahmen im Rahmen der persönlichen Aufsicht über die Markscheider, die sich aus
    Anlass einer Risswerksprüfung ergeben. Diese sind gegebenenfalls gesondert zu veranlassen.

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    1) Piens/Schulte/Graf Vitzthum. BBergG. § 69 Rn 39.

    2) Kremer/Neuhaus gen. Wever. Bergrecht Rn 334.

    3) Boldt/Weller, BBergG, § 63 Rn 7.

    4) Boldt/Weller, BBergG, § 69 Rn 27.

    5) Boldt/Weller, BBergG, § 58 Rn 11.

    6) Boldt/Weller, BBergG, § 70 Rn 4.

    7) Boldt/Weller, BBergG, § 71 Rn 8.