• Sonderbetriebspläne für Seilwechsel in Tagesschächten

     

    Im dritten Quartal 2010 kam es bei einem Seilwechsel an einem Tagesschacht
    auf einem Bergwerk des Bezirks zu einem Durchrutschen des Seils unter den
    Treibscheibenklemmen mit anschließendem Absturz des Seils in den Schacht.
    Dabei wurde im Schacht beträchtlicher Sachschaden verursacht und die mit
    dem Seilwechsel beauftragten Mitarbeiter wurden erheblich gefährdet.

    Gründe für dieses Ereignis waren:

    • falsch geplante Arbeitsabläufe,
    • unerfahrenes Personal,
    • unklare Überlastsituation,
    • Problematik mit Treibscheibenklemmen und
    • fehlende und mangelhafte Hilfsmittel


    Das Wechseln von Seilen (Förderseile, Unterseile, Bühnen- und Führungsseile,
    sonstige Seile) an Anlagen nach § 1 BVOS (Seilfahrt- und Güterförderanlagen,
    Befahrungsanlagen, Bühnenanlagen, Hilfsfahr- und Notfahranlagen) stellt besondere
    Anforderungen an die sorgfältige Vorplanung der Arbeitsabläufe, an die Auswahl,
    die Dimensionierung und den bestimmungsgemäßen Einsatz der zu verwendenden
    Hilfsmittel und an die Durchführung dieser Arbeiten unter Wahrung aller zu beachtender
    Sicherheitsvorschriften. Wenn die notwendigen Arbeiten fehlerhaft durchgeführt werden,
    die notwendigen Hilfsmittel schadhaft sind oder nicht bestimmungsgemäß eingesetzt
    werden, bestehen für die Personen, die bei den Arbeiten am Schacht oder in
    Schachtnähe anwesend sind hohe Risiken für Leben und Gesundheit. Schäden, die
    durch herabstürzende Seile, Fördermittel oder Hilfsmittel im Schacht entstehen, haben
    in den meisten Fällen einen großen Schadensumfang und längere Reparaturzeiten zu
    Folge und können die wirtschaftliche Existenz des gesamten Bergwerks in Frage stellen.

    Seilwechsel finden an vielen Anlagen oft nur in längeren Zeitabständen statt.
    Das Personal, das den Seilwechsel durchführen soll, kann sich in vielen Fällen nicht
    mehr auf persönlich erworbenes Wissen und Erfahrung stützen. Deshalb ist es erforderlich,
    die Arbeitsabläufe des Seilwechsels für jede Schachtförderanlage genau zu planen,
    sorgfältig zu dokumentieren und auf Vollständigkeit und Korrektheit zu prüfen.

    Gemäß § 52 Abs. 2 Nr. 2 BBergG wird hiermit als erste Konsequenz aus diesem Ereignis
    die Vorlage eines Sonderbetriebsplans für den Wechsel von Seilen (Förderseile, Unterseile,
    Bühnen- und Führungsseile, sonstige Seile) an jedem Tagesschacht verlangt.

    Für diesen Sonderbetriebsplan ist eine detaillierte Dokumentation für das Wechseln aller
    in Betracht kommenden Seile der jeweiligen Schachtförderanlage zu erstellen und der
    Bezirksregierung Arnsberg nach Vorprüfung durch anerkannte Sachverständige zur
    Zulassung vorzulegen.

    Die technische Dokumentation muss mindestens folgende Angaben enthalten:

    • Genaue und vollständige textliche Beschreibung der einzelnen Arbeitsschritte und
      Angaben zu allen verwendeten Hilfsmitteln.
    • Klare und einfach verständliche schematische Zeichnungen der Anlage, aus denen
      die jeweilige Position der Fördermittel im Schacht, die Bewegungsrichtung der
      Förderanlage, Aufstellungsorte von Hilfseinrichtungen (Friktionswinden, Hilfswinden,
      Verlagerungsträger, Umlenkrollen, Seilabfangklemmen, Treibscheibenklemmen,
      Hilfsseile, Hilfswinden etc.), die Ablaufrichtungen der Seile und die Positionen von
      Seilverbindungen (Altseil – Neuseil – Hilfseile) eindeutig hervorgehen.
    • Für die Dokumentation sollen vorhandene Fotos von bereits durchgeführten
      Seilwechseln verwendet werden.

     

    Die Anlagen zu diesen Ablaufbeschreibungen müssen enthalten:

    • Zusammenstellung der Fördermittelgewichte einschließlich Zwischengeschirre und
      Unterseilaufhängungen, der spezifischen Längengewichte der Seile und die Seillängen.
    • Aus diesen Daten sind  für die verschieden Arbeitsschritte und Positionen der Anlage
      die Trumgewichte (gesamte Masse im Seiltrum) zu berechnen. Bei zweitrümigen
      Anlagen sind auch die Überlasten (Differenzen der Trumlasten) und bei Treibscheiben-
      förderungen auch die Größe eines eventuell erforderlichen Belastungsausgleichs 
      zum Erhalten der Treibfähigkeit der Anlage anzugeben.
    • Für alle relevanten Positionen der Anlage sind auf dieser Basis nachzuweisen:
      Treibfähigkeit bei Treibscheibenanlagen, statische Bremssicherheiten und eventuell
      erforderliches Haltemoment der Fördermaschine unter Beachtung des kurzzeitig
      zulässigen maximalen Lastmomentes.
    • Für alle Hilfsmittel wie Seilabfangklemmen, Träger oder Anschlagmittel zur
      Verlagerung von Fördermitteln, Treibscheibenklemmen, Hilfsseile, Seilverbindungen etc.
      sind Herstellerbescheinigungen vorzulegen oder ausreichende Sicherheiten rechnerisch
      nachzuweisen.
    • Für die Verlagerungen von Umlenkscheiben, für andere Verlagerungsträger und
      gegebenenfalls für Verlagerungen und Fundamente von Winden und vergleichbaren
      Hilfsmittel sind rechnerische Nachweise über ausreichende Sicherheiten zu erstellen.
    • Bei der Verwendung von Friktions- oder Trommelwinden sind ausreichende
      Lastmomente gegenüber den auftretenden Belastungen rechnerisch nachzuweisen.
    • Wenn für den Seilwechsel vorübergehende Eingriffe in der elektrischen Antriebs-
      steuerung der Antriebsmaschine oder in der Steuerung der Bremseinrichtung
      vorzunehmen sind, sind die schaltungstechnischen Eingriffe oder auch Änderungen
      in der Software anhand von Beschreibungen, Schaltplänen oder Programm­
      ausdrucken darzustellen.
    • Für jeden Arbeitsschritt ist in der Dokumentation genau anzugeben, wie und
      von welchen Stellen im Schacht aus die Sprachverständigung und die Signalgabe
      erfolgt. Dies kann über spezielle Betriebsarten in der Schachtüberwachungs- und
      –signalanlage von den Anschlägen aus, über elektronische Schachthammersignal-
      einrichtungen oder über Funkgeräte erfolgen.
    • Für Arbeitsstellen, an denen Absturzgefahr besteht, ist anzugeben, in welcher Weise
      der Schacht durch geeignete Maßnahmen (Absperrungen, Geländer) gesichert wird
      und ob persönliche Schutzausrüstungen zu tragen sind.


    Diese technische Dokumentation ist in 3-facher Ausfertigung zu erstellen und durch
    anerkannte Sachverständige vorprüfen zu lassen. Zwei Fassungen der Dokumentation und
    der Prüfbericht der Sachverständigenstelle ist der Bezirksregierung Arnsberg zur Zulassung
    vorzulegen. Bei einander ähnlichen Anlagen (Doppelförderungen) oder für das Wechseln
    ähnlicher Seile derselben Anlage (Mehrseilanlagen, Anlagen mit mehreren gleichen Unter-
    oder Führungsseilen) kann es ausreichen, eine Dokumentation zu erstellen. Die Dokumen-
    tation für den Seilwechsel ist nach jedem Seilwechsel auf inhaltliche Richtigkeit zu prüfen.
    Erfahrungen, die eine Änderung der Abläufe oder andere organisatorische Änderungen
    sinnvoll erscheinen lassen, sind einzupflegen.  Ändert sich jedoch die Verfahrensweise in
    sicherheits-technischer Hinsicht oder werden andere, nicht durch die bestehende Zulassung
    abgedeckte Hilfsmittel (Friktionswinden, Rettungswinden etc.) verwendet, ist ein neuer
    Sonderbetriebsplan oder ein Nachtrag zum zugelassenen Sonderbetriebsplan durch einen
    anerkannten Sachverständigen vorprüfen zu lassen und der Bezirksregierung Arnsberg
    zur Zulassung vorzulegen.

    Weitere Seilwechsel an dem gleichen Tagesschacht zu einem späteren Zeitpunkt sind
    der Bezirksregierung Arnsberg mit Angabe des Datums des beabsichtigten Seilwechsels
    lediglich anzuzeigen, sofern keine Änderung gegenüber dem zugelassenen Sonderbetriebsplan
    zu verzeichnen sind. 

    Als Seilwechsel im Sinne dieser Anweisung gilt auch das erstmalige Auflegen von Förder-
    und Bühnenseilen oder das Anhängen von Unter­seilen bzw. Einhängen von Führungsseilen
    an neuen oder umgebauten Anlagen sowie das Ablegen oder Abhängen dieser Seile
    bei der endgültigen Außerbetriebnahme dieser Anlagen. Weil bei diesen Arbeiten die
    Arbeitsabläufe anders sind als bei regelmäßigen Seilwechseln, müssen hierfür separate
    Sonderbetriebspläne erstellt, vorgeprüft und eingereicht werden.

    Vor jedem Seilwechsel ist der damit beauftragte Personenkreis zu unterweisen. 
    Es wird empfohlen, für die Unterweisungen auch Foto- oder Videodokumentationen
    von bereits durchgeführten Seilwechseln zu verwenden. Die Durchführung der
    Unterweisung ist zu dokumentieren und von den teilnehmenden Personen schriftlich
    zu bestätigen. 


    Bezirksregierung Arnsberg
    Abteilung Bergbau und Energie in NRW
    im Auftrag:

    F r e n g e r